Architekturfilmreihe 07 - In Person Beat Kuert
FilmvorführungZu Gast in Linz ist erstmals Beat Kuert. Der 1946 in Zürich geborene Kameramann, Cutter, Filmemacher und Filmproduzent lebt in Arzo im Kanton Tessin, wo er 1985 mit Kollegen die unabhängige Filmproduktionsfirma “al castello“ mitbegründet hat. Neben experimentellen Kurzfilmen hat er eine Reihe von Spielfilmen und Dokus gedreht und war als freier Realisator für das Schweizer Fernsehen tätig. Beat Kuert hat sich einen internationalen Namen als Autor verschiedener Beiträge der verdienstvollen TV-Serie Architectour de Suisse des eidgenössischen Fernsehkanals SRGISSR gemacht. Er zählt zu den konsequentesten und experimentierfreudigsten Filmdokumentaristen seiner Generation. Seine umfangreiche Film- und Videographie spiegelt die Suche nach der Kraft und Poesie der Architektur wider.
Beat Kuert wird drei seiner Filme vorstellen und erläutern.
Jean Nouvel Ästhetik des Wunderbaren
Regie: Beat Kuert [© SRG|SSR]. Schweiz. 1998. 55 min. Farbe. Beta SP.
Jean Nouvel (* 1945) ist einer der eigenwilligsten und faszinierensten Zeitgenossen. Er ist bekannt für seine Fähigkeit, die Architektur zu entmaterialisieren, d.h. in Luft aufzulösen, denn selbst seine Mega-Bauten wirken schwerelos, ätherisch und dynamisch. Der Filmbericht zeigt erstmals in dieser Ausführlichkeit das bisherige Oeuvre, auch das kaum dokumentierte Frühwerk, wie das mittlerweile stark veränderte und inzwischen sehr heruntergekommene “Collegè Anne-Frank“ (1980) in Antony. Jean Nouvel ist ein Meister der Selbstinszenierung. Die Kamera begleitet ihn nicht nur auf seine zahlreichen Baustellen in aller Welt, sondern beobachtet ihn auch in seinem Pariser Atelier AJN mit seinem Mitarbeiterstab. Die Mittel, mit denen Nouvel sein Publikum verzaubert, sind vielfältig. Neben den Schlüsselwerken, wie dem Institut du Monde Arabe (1981-87) in Paris, das Centre de Congrès da Vinci (1989-93) in Tours, die Fondation Cartier (1991-95) in Paris, das schicke Kaufhaus Galerie Lafayette (1991-96) in Berlin oder dem Sitz der Werbeagentur Phillipe Michel CLM/BBDO (1988-92) auf der Ile Saint-Germain in Issy les Molineaux bei Paris oder die Kongresshalle (1993-98) am Luzerner See, wirken viele der in der Filmreportage gezeigten Projekte äußerst spannend, so der Umbau des Opernhauses (1986-93) von Lyon, wo nur die Schale übrig blieb oder die Schokoladenfabrik Poulain (1991) in Blois.
Jacques Herzog & Pierre de Meuron Tate Modern
Regie: Beat Kuert [© SRG|SSR]. Schweiz. 2000. 25 min. Farbe. Beta SP.
Am 12. Mai 2000 wurde in London die Tate Modern eröffnet, die neue Abteilung der Tate Gallery und das damit weltgrößte Museum für Gegenwartskunst. Das erst 1948 fertiggestellte, ziegelverkleidete Ölkraftwerk an der Southbank der Themse im Herzen von London war fünfunddreißig Jahre in Betrieb als es 1983 stillgelegt wurde. Danach fristete es jahrelang sein Dasein als monumentale Industrieruine.
1993 wurde das kolossale Gebäude von der ständig mit Platznöten kämpfenden Tate Gallery erworben und ein Museumsneubau für moderne Kunst unter ihrem damaligen Direktor Sir Nicholas Serota geplant. Das Basler Architekturbüro Herzog & de Meuron gewann den Wettbewerb. Die britische Architektengemeinde war nicht gerade begeistert, als ein ausländischer Konkurrent mit dem prestigeträchtigen Bau der Tate Modern beauftragt wurde. Doch was die Schweizer Architekten Jacques Herzog (* 1950) und Pierre de Meuron (* 1950) aus dem stillgelegten Kraftwerk schufen, hat Fachleute wie Kunstliebhaber ausnahmslos verblüfft und begeistert. Erstaunt hat vor allem, wie es den beiden gelang, aus einem düsteren Industriekomplex, einem alten, stillgelegten Ölkraftwerk, ein architektonisches Monument zu schaffen, dessen Ausstrahlung weit über London hinaus fasziniert.
Im Film erzählt Direktor Serota von der reizvollen Idee, das Kraftwerk in einen Kunsttempel umzuwandeln. Harry Gugger, als Partner von Herzog & de Meuron und ausführender Architekt, führt durch das Museum und erläutert wichtige Elemente der Architektur.
Mario Botta Die neue Scala [aus der Serie ’Architectour de SuisseŒ]
Regie: Beat Kuert [© SRG|SSR]. Schweiz. 2005. 26 min. Farbe. Beta SP.
Lange war der quirlige Mario Botta (* 1943) der unangefochtene Star der Tessiner Bauschule. Trotz der anhaltenden Aufträge ist es etwas ruhiger um ihn geworden. Sein Umbau der Mailänder Scala macht mit feinster Zurückhaltung von sich reden.
Beat Kuert hat den Umbau filmisch begleitet und mit Mario Botta in seinem Atelier in Lugano geredet. Nach drei Jahren Umbauphase wurde das berühmte Opernhaus “Scala“ in Mailand im Dezember 2004 mit der Oper “Europa riconosciuta“ von Antonio Salieri feierlich wieder eröffnet. Botta gelang mit der Realisierung seines gemäßigten Entwurfes eine organische Verbindung und eine wunderbare stilistische Verschmelzung von spätklassizistischen und postmodernen Architekturformen. Das Besondere bei diesem Projekt, welches Botta ausführlich im Interview erläutert, ist die Anknüpfung an den Altbau, erbaut 1778 von Giuseppe Piermarini, sowie die Verschmelzung von alten und neuen Bauteilen im Einklang zur Stadtgestalt. Fast alle Entwürfe Bottas verbindet das Streben und die Suche nach der Aussöhnung von Ordnung, Geometrie und Funktionalität mit Symbolik, Phantasie und konkreter Poesie.
(Filmtexte: H. Weihsmann)
Filmographie (Auswahl) von Beat Kuert:
Mulungu (1974)
Schilten (1979)
Nestbruch (1980)
Die Zeit ist böse (1982)
Pi-errotische Beziehungen (1982)
Martha Dubronski (1984/85)
Deshima (1986)
LŒassassina (1990)
Der Grossinquisitor (1990/91)
Hanna & Rocky (1993)
Am Ende der Zeit (1998)
Max Dudler Der Reichtum der Askese (1997)
Jean Nouvel Die Ästhetik des Wunderbaren (1998)
Herzog & de Meuron Tate Modern Gallery (2000)
Herzog & de Meuron Die Alchemie des Bauens (2004)
Non sognatelo stanotte (2001)
Der Tulpenbaum (2002)
Alex Sadkowski IchliebemIch (2003)
Una piccolissima vittoria (2003)
Mario Botta Die Neue Scala (2005)
Berg und Geist (2004-2007)