ORF Lange Nacht der Museen 2008
FilmvorführungCITYSCAPES
Das Kurzfilmprogramm mit dem Titel cityscapes zusammengestellt von Architektin und Künstlerin Lotte Schreiber versucht mit filmischen oder videografischen Mitteln eine Kartografie des Phänomens Stadt zu zeichnen um damit eine Rückeroberung eines Gefühls für die Konstruktion und Funktion eines Standorts zu ermöglichen.
CITYSCAPES ist ein fünf Arbeiten umfassendes Videoprogramm österreichischer wie internationaler FilmemacherInnen, die sich auf unterschiedliche Weise an das universelle Phänomen “Stadt” annähern. Sie alle versuchen mit filmischen oder videografischen Mitteln eine Kartografie des Städtischen zu zeichnen: so untersucht Dariusz Kowalskis „ORTEM“ das Fluktuierende, Flüchtige und Anonyme der Großstadt anhand ihrer unterirdischen Transiträume. In „Quadro“ konfrontiert Lotte Schreiber die Utopien der Moderne, ausformuliert in der Megastruktur eines Wohnblocks, mit der physischen Realität des gebauten Raums. Stadtmusik wie auch Maia Gusberti de-konstruieren in ihren Videos „Zurückbleiben bitte!“ und „aire“ den Stadtraum mit digitalen Mitteln und thematisieren die Flüchtigkeit der Wahrnehmung im alltäglichen Gebrauch der Stadt. Abschließend untersuchen Ella Raidel und Hongjohn Lin in ihrer Arbeit „Somewhere, late afternoon“ die beständige Internationalisierung der Städte und den damit einhergehenden Verlust eines individuellen, lokalen Bauens – the generic city.
Filme (Gesamtlänge des Videoprogramms ca. 53 min)
ORTEM, Dariusz Kowalski, PL/A 2004, 20 min
Quadro, Lotte Schreiber, A/IT 2002, 10 min
Zurückbleiben bitte!, Stadtmusik, A 2007, 7 min
.aire, Maia Gusberti, CH/A 2001, 5 min
Somewhere, late afternoon, Ella Raidel, Hongjohn Lin, TW 2007, 11 min
ORTEM, Dariusz Kowalski, A 2004, 20 min
Das Verkehrssystem der U-Bahn schafft durch seine unterirdische Architektktur eine spezifische Raum- und Wahrnehmungssituation. Der Film als abstraktes Essay fokussiert Phänomene wie: Geschwindigkeit, Wahrnehmung, Architektur und Erinnerung und untersucht das flüchtige und anonyme der Alltagserfahrung. Die Auseinandersetztung mit der Darstellbarkeit von Räumen und Orten trifft auf reale Architektur. (D.K.)
Quadro, Lotte Schreiber, A 2002, 10 min
Das Video quadro (ital.: Viereck, Bild, Kader) ist das filmische Portrait eines monumentalen 60er-Jahre-Wohnblocks in der italienischen Küstenstadt Triest. wie eine Ritterburg schwebt dieses imposante Gebäude mit quadratischem Grundriss auf einem Hügel über der Stadt. In diesem strukturalistischen Bauwerk sind die sozialutopischen Ideen dieser Epoche als kühne, maßstabslose Betonkonstruktion ausformuliert. Material und Struktur dienen als verbindende Elemente der filmischen Interpretation. Der Rhythmus der Montage entspricht dem Metrum der architektonischen Struktur. Gebauter Raum manifestiert sich in filmischer Zeit. Den Materialien Sichtbeton und Glas setzt die Künstlerin und Architektin Lotte Schreiber Super8 und Digitalvideo entgegen. Der kontemplative Bilderfluß entwickelt mit dem eindringlichen elektronischen soundtrack von Stefan Neméth einen unwiderstehlichen suggestiven Sog. Immer wieder werden die streng kadrierten statischen Einstellungen in grobkörnigem schwarzweiß abrupt von stark verwackelten Videoaufnahmen zerrissen. Dieses Video ist keine Architekturdokumentation im üblichen Sinn. Es entstand allein aufgrund der subjektiven Faszination der Filmemacherin an der gebauten Manifestation einer radikalen gestalterischen Idee und einer gescheiterten sozialen Utopie. (Norbert Pfaffenbichler)
Zurückbleiben bitte!, Stadtmusik, A 2007, 7 min
Oben und unten gibt es zunächst nicht, auch andere Richtungsanzeigen versagen. Das Bild selber ist eine Ballung von Bildteilchen, die kontinuierlich im Entstehen und Entziehen sind, im Werden und Vergehen, im Aufbauen und Auflösen. Wobei ein jedes Bild in jedem seiner Stadien in einem weißen Raum auftaucht und gefangen bleibt. Wir wohnen einer Art Schöpfung bei, einem Bang, bei dem sich die verdichtete Masse an Information langsam atomisiert oder partikularisiert. Sukzessive werden urbane Szenen ausgeformt, allerdings nur in fragmentarisierter und stets eigentümlich pulsierender Gestalt, die beständig von Auflösung
oder Verfall bedroht ist. Dabei sind die Partikel zunächst bloße Farbflächen, gleich genormte quadratische, in blass-grauen Farben schimmernde Plättchen, die erst in ihrer Wiederverdichtung eine räumliche Referenz erzeugen, bevor sie wieder auseinander fliegen und dabei einen jeden Sinn aufgeben. Das einmal aufgezeichnete Material ist als ein solches nie einsehbar, das Programm entscheidet resolut über das, was sich zeigt. Es hat das Bild komprimiert, in Teilchen gleicher Größe gerechnet, Partikel, die ein jedes für sich vollkommen autonom sich bewegen und artikulieren können. Im Aufbau des Bildes manifestiert sich zuallererst die Autorität der numerischen Logik. Auch sind die Geräusche und Stimmen in "zurückbleiben bitte!" eigentümlich körperlos, den Bildern gelingt es kaum, ihrer Vorläufigkeit und Vagheit zu überwinden und ein Prospekt der Stadt auszubilden. Gerade die Stadt, als Synonym für Verdichtung und Unübersichtlichkeit, wird zum Spielball einer digitalen Ästhetik, die souverän ihre Erscheinung manipuliert und ahnen lässt, dass alle Gebilde heute in den Zustand totaler Instabilität und Veränderbarkeit überführt werden können. (Marc Ries)
.aire, Maia Gusberti, A 2001, 5 min
Eine Fahrt entlang Stromleitungen. Der nach oben gerichtete Blick löst sie aus einem Zusammenhang der alltäglichen Wahrnehmung, reduziert sie auf die Form, die Linie. Die schlichten Aufnahmen wirken von Anfang an beinahe abstrakt, durchschneiden das Bild, manchmal verschieben sich die Bildebenen ineinander. Langsam schreitet die Abstraktion immer weiter fort, bis nur noch grafische Elemente wahrnehmbar sind. Bild und Ton entstanden in enger Zusammenarbeit, die visuellen (Entwicklungs-)Linien korrespondieren mit der Musik, werden in ihr aufgenommen und widergespiegelt. .airE läßt sich als Studie zur Alltags-wahrnehmung lesen, auf einer anderen Ebene ist es aber auch ein Versuch zur Frage der Abstraktion. Ist ein aus dem Zusammenhang gerissenes konkretes Bild bereits abstrakt oder wird es das erst in der digitalen Veränderung und Reduktion auf grafische Grundmuster? (Barbara Pichler)
Somewhere, late afternoon, Ella Raidel, Hongjohn Lin, A, 2007, 11 min
Von Raumgewinnung und Modernisierung getrieben, werden asiatische Städte zunehmend „hyper-modern“. Wo amerikanische und europäische Baustile mit lokaler Geschichte kollidieren, scheinen hier Traditionen und individuelle Historien völlig zu verschwinden. Somewhere late afternoon zeigt das Modell zweier Wohntürme, typisch für die Landschaft Taipeis. Sie wirken real, aber unwirtlich, wecken Assoziationen mit urbanen Gegebenheiten in China, Taiwan oder eben „somewhere else“.
