nachsatz#1 - VERGRIFFEN
Honigraum
PublikationIn den letzten Tagen des Jahres 1610 kreisten die Gedanken des kaiserlichen Astronomen und Mathematikers Johannes Kepler um nichts. Während eines Winterspaziergangs, in Gedanken, mit welchem Neujahrsgeschenk er seinen Freund Johannes Matthäus Wackher von Wackhenfels – einen erklärten Liebhaber des Nichts – erfreuen könnte, waren ihm Schneeflocken auf den Mantel gefallen, „alle sechseckig und mit bärtigen Strahlen“. Die Verwunderung über die geometrische Vollkommenheit dieser winzigen Kristalle veranlasste ihn, einen Text zu verfassen mit dem Titel „Über den sechseckigen Schnee“ (Strena seu de nive sexangula). In der Annäherung an das Nichts übertraf die Flocke jede andere Wenigkeit, die als Neujahrsgabe in Frage gekommen wäre. Zum Beispiel das Staubkorn: „Es ist der Staub aber auch etwas Dauerhaftes, wenn er in den von Alter und vom Wurmstich zermürbten Balken herrscht. Ich würde also damit zuviel geben.“ Die Schneeflocke jedoch offenbart ihre sechszählige Symmetrie nur einen Moment lang, ehe sie mit anderen Kristallen verklumpt oder zum Wassertropfen schmilzt – ein Nichts, das sich in ein anderes verwandelt. In seinem Neujahrstext versucht Kepler die Ursache für das häufige Vorkommen der Sechseckform in der Natur zu ergründen, wobei das regelmäßige Hexagon der Bienenwabe eine zentrale Stelle einnimmt. .....
Projektdokumentation mit Schwarmprotokoll
Eigenverlag 2013, 20 Seiten offen broschiert