nachsatz#6 - RAND
Von überall quert ein Weg den Rand. Eine Arbeit von Clemens Bauder und Gregor Graf
PublikationIm Sprachgebrauch ist der Rand oft negativ konnotiert: Randgruppen werden skeptisch betrachtet, niemand wird gerne an den Rand gedrängt oder kommt mit einer Situation nicht zu Rande. Doch es gibt auch positive Assoziationen: Wer über seinen Tellerrand hinausblickt, erweitert seinen Horizont, übt sich in Toleranz, und spricht man mit BiologInnen über den Rand, bekommt man Geschichten von Artenvielfalt und wertvollen Lebensräumen zu hören.
Das Ziel der Ausstellung RAND war es, zu zeigen, was in Erscheinung tritt, wenn Architektur und bildende Kunst sich mit marginalisierten Gruppen wie Wohnungslosen oder Geflüchteten beschäftigen. Aber auch, was entsteht, wenn sich architektonische und künstlerische Strategien überschneiden, oder KünstlerInnen sich mit Themen der Stadtentwicklung befassen. Nicht zuletzt ist es wichtig, darauf aufmerksam zu machen, dass die Peripherie der Stadt ein latentes Thema darstellt, das für UrbanistInnen ein schier endloses Betätigungsfeld bietet.
Das Zusammentreffen unterschiedlicher Bereiche erzeugt Möglichkeiten. Wir erkennen Bewegungsmuster, die sonst verborgen bleiben. Es wird deutlich, dass Notwendigkeiten und Prioritäten sich verschieben und taktisch anders mit Gegebenheiten umgegangen werden kann. Durch die kritische künstlerische Auseinandersetzung mit dem Rand können Relationen und Größenverhältnisse anders bewertet und umgedeutet werden. Zudem erlaubt uns dieser Ansatz, Dinge darzustellen, die es noch gar nicht gibt, die aber Teil unserer Zukunft sein könnten.
Kreatives wird frei, wenn sich Menschen begegnen, die für gewöhnlich nichts miteinander zu tun haben. Lebensweisen, die in einer homogenen Umgebung so nicht entstehen würden, werden denkbar und auch praktiziert. Das geschieht aus einer Haltung heraus, die den Rand nicht als Problem, sondern als Bereicherung begreift – Rand als Begegnungsort, wo sich Neues entwickelt und Unerwartetes entsteht. Am Rand finden sich Potentiale, die sich im Augenwinkel entfalten, ohne zwingend in den Fokus der Aufmerksamkeit zu gelangen.
Die Betrachtung aus unterschiedlichen Standpunkten generiert ein reicheres Bild. Diese parallaktische Verschiebung, die entsteht, wenn wir uns die Sichtweisen anderer Disziplinen zu eigen machen, bereichert unsere Wahrnehmung und kann als Korrektiv dienen. Genau deshalb wollen wir hinschauen und Phänomene aus unterschiedlichen Perspektiven beobachten. Und im Idealfall dadurch das Denken in Übergängen, in Modellen und Projekten ermöglichen.
Eigenverlag 2014, 20 Seiten offen broschiert
erschienen zur Ausstellung RAND
Einzelheftpreis: Euro 2,–