Baukultur-Stammtisch #41
StammtischDiesen Sommer fand Gemeinderad unterwegs statt. Zweck der Reihe und was daraus noch werden kann, werden wir zu diesem Stammtisch zur Debatte stellen.
weiterlesen …Mobilitätsplanung ist keine rein technische Aufgabe. Die Gestaltung öffentlicher Räume darf sich nicht darauf beschränken, den Durchzug von motorisiertem Verkehr möglichst reibungsfrei zu organisieren. Denn, diese Räume sind für Alle da: zu-Fuß-Gehende, Alte, Junge, Radfahrende, Roller, Lastenräder, Kinderwägen und natürlich auch den Warentransport für Gewerbetreibende. Auch die Flächen für stationäre Nutzung muss gerechter verteilt werden. Historisch hat sich entwickelt, dass ein großer Anteil an Flächen für Parken von PKW vorbehalten wird. Erst wenn dieses Verhältnis umgekehrt wird, können auch andere Nutzungen wie Schanigärten, Parkbänke, Spielflächen und klimawirksame Pflanzen sich wieder freier entwickeln.
Beispielhaft besucht das afo verschiedenste Plätze, Straßen und Stadtquartiere, um mit Verantwortlichen aus Politik und Verwaltung Potentiale und Schwächen der Gestaltung zu diskutieren. Auf dem Weg treffen wir Bürgerinitiativen, Verantwortungsträge, Wirtschaftsvertreter und (Alltags-)Expert*innen, um aus dem vorhandenen Wissen zu schöpfen.
Vizebürgermeister und Mobilitätsreferent Martin Hajart und der Abteilungsleiter Mobilitätsplanung der Stadt Linz Roman Minke waren gemeinsam mit afo-Leiter Franz Koppelstätter mit wechselnden Reisegruppen unterwegs. Um unterschiedliche Perspektiven einzunehmen wurden verschiedene Mobilitätsformen gewählt: Zu Fuß, mit dem Rad und auf größere Distanz mit dem Elektro-Leihauto.
Der erste Ausflug im Juni war dem Fußverkehr gewidmet und hier speziell den Erfahrungen mt Begegnungszonen. Ein wichtiger Faktor ist hier die Sichtbarkeit. Erst wenn alle Verkehrsteilnehmer wahrnehmen, dass sie sich in einer Begegnungszone oder auch einer Wohnstraße befinden, können sie sich entsprechend verhalten. Farbliche Markierungen sind ein erster Schritt, können aber auf lange Sicht bauliche Maßnahmen nicht ersetzen.
Eine Konsequenz aus dem Bekenntnis den Modal Splitt – also das mengenmäßige Verhältnis konkurrierender Mobilitätsformen – hin zu mehr aktiver Mobilität zu verändern, ist das Hinterfragen der bestehenden Flächenverteilung. Aktuell ist ein übermäßiger Anteil dem motorisierten Verkehr gewidmet, sowohl in Form von Fahrbahnen aber auch von Parkplätzen.
Dieses Ungleichverhältnis wird besonders deutlich an Durchzugsstraßen, wie etwa der Humboldtstraße oder der Dinghoferstraße, die jeweils sehr dicht bewohnte Stadtteile durchschneiden. Das Autobahnprojekt A26 wurde mit der Verkehrsentlastung der Kernstadt argumentiert. Um aus dieser Großinvestition tatsächlich einen Nutzen für die Stadtbevölkerung zu generieren und motorisierten Verkehr zu verlagern, ist es notwendig, frühzeitig Planungsschritte zur Reduktion des Innenstadtverkehrs zu setzen.
Im Juli war die Reisegruppe per Rad unterwegs. Dauerthemen im öffentlichen Diskurs ist die Strecke vom Hauptplatz über die Nibelungenbrücke, Rudolfkreuzung und weiter zur Urfahraner Hauptstraße. Darüber, dass die Reduktion des Autoverkehrs in dieser Zone mit Fertigstellung der neuen Autobahnbrücke möglich und wünschenswert ist, herrscht mittlerweile ein breiter, auch politischer Konsens. Wie die Maßnahmen dazu im Detail aussehen sollen, ist eine Frage von sorgfältiger Planung.
Ein Detailpunkt ist dabei der Anschluss des Donauradwegs am nördlichen Brückenkopf. Viele Radtourist*innen stehen dieser Tage noch mit fragenden Blicken an der Donau und versuchen rauszufinden, wie sie in das Herz der Landeshauptstadt gelangen. Eine verbesserte Beschilderung kann hier ein erster Schritt sein. Bauliche Maßnahmen scheinen aber auch hier notwendig.
Weiter östlich wurden kürzlich Verordnungen erlassen, die den Durchzugs- und Parkverkehr in der Ferihumerstraße reduzieren sollen. Eine Herausforderung dabei ist allerdings die Exekutierbarkeit. Um das Durchfahren dieser Straße zu vermeiden sind weiter physische Eingriffe geplant. Verkompliziert werden diese durch die notwendige Abstimmung mit dem öffentlichen Verkehr. Beispielhaft ist diese Situation für andere Wohngebiete, die in der Nachkriegszeit – begleitet von der Euphorie der autogerechten Stadt – mit großzügigen Fahrbahnen ausgestattet wurden.
Weniger von Wohnnutzung geprägt ist das Hafen- und Industriegebiet im Osten. Hier dominiert der Pendlerverkehr der Arbeitnehmer*innen und tritt dabei in Konkurrenz mit Freizeitnutzungen und Nischenbedürfnissen. Eine konsequente Trennung der Verkehrsmittel mit Vorrang für öffentliche Angebote und ebenso bequeme wie schnelle Radverbindungen kann hier Entlastung schaffen. Auch eine Anbindung an den Bahnhof Franckstraße kann zum Ausgleich des Modal Split beitragen. Weiters ist die schlecht ausgebaute Rad-Verbindung zur Innenstadt eine große Herausforderung.
Die dritte Tour im August wurde mit Elektro-Leihautos in den Linzer Süden bestritten. Grund für diese Mobilitätsform ist auch ein thematischer Schwerpunkt dieses Ausflugs. Die Reisezeit mit Straßenbahn aber auch der bislang noch fehlende Lückenschluss der Straßenbahn von Solarcity bis zum S-Bahnhof Pichling führt dazu, dass ein Ausweichen auf PKW für die Bewohner*innen attraktiv scheint. Ausserdem hinken der Ausbau der Westbahnstrecke in diesem Abschnitt und die damit verbundene Erhöhung der Taktfrequenz hinter den Ankündigungen hinterher. Auch die VOEST als wichtigster Arbeisplatz in der Region ist von der Solarcity aus öffentlich und per Rad erstaunlich schlecht erreichbar. Davon ist auch der in Pichling gelegene Gewerbepark Süd betroffen.
Bei der städtebaulichen Planung für die Solarcity wurde auf die fußläufige Erreichbarkeit der Einrichtungen täglichen Bedarfs geachtet. Das erhöht die Attraktivität des Lunaplatzes und verringert den privaten motorisierten Nahverkehr. Obgleich die Siedlung mitten im Grünen gelegen ist, fehlt es an schattenspendenden Pflanzen am Platz, bedingt auch durch die darunter liegende Tiefgarage.
Für produzierende Industrie- und Gewerbegebiete stellt Mobilität in zweierlei Hinsicht eine Herausforderung dar. Einerseits müssen Rohstoffe und Produkte an- und abgeliefert werden. Um für die Logistik Schienen und Wasserwege effizient nutzen zu können fehlt es allerdings an passenden Anschlussstellen. Andererseits brauchen Arbeitnehmer*innen komfortable und vor allem schnelle Pendlerangebote abseits des PKW. Betriebliche Mobilitätskonzepte wie Car-Sharing oder geteilte Fahrräder für die Strecke zum nächsten Schienenangebot können allerdings den Ausbau öffentlichen Verkehrs nicht vollständig ersetzen.
Im Zuge der drei Fact-Finding-Missions wurde viele Themen und Probleme gesammelt. Lösungsansätze wurden diskutiert, die von kurzfristig umsetzbaren Maßnahmen bis hin zu langfristigen strategischen Planungen reichen.
Um den Diskurs fortzusetzen und auch auf eine breitere politische Basis zu bringen, wird das afo architekturforum oberösterreich am Mittwoch den 2. November 2022 um 18 Uhr einen Baukultur-Stammtisch zum Thema veranstalten.
19. August 2022
Franz Koppelstätter, afo
Diesen Sommer fand Gemeinderad unterwegs statt. Zweck der Reihe und was daraus noch werden kann, werden wir zu diesem Stammtisch zur Debatte stellen.
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