Aktuell steht ein Teilabriss und Umbau der historischen Arbeitersiedlung Sintstraße in Linz (1927), geplant von Curt Kühne, zur Debatte. Hier die Stellungnahme des afo zum Vorhaben.
ARBEITERSIEDLUNG SINTSTRAßE, LINZ STELLUNGNAHME ZUM ERHALT DES GESAMTENSEMBLES
Die von Curt Kühne 1927 errichtete Arbeitersiedlung Sintstraße gehört zu den bedeutendsten Siedlungskomplexen der Moderne in Linz. Sie hat aufgrund ihrer spezifischen städtebaulichen Qualitäten und des fein abgestimmten Verhältnisses von Einzelbauten, städtebaulicher Situation und Frei- bzw. Grünraumgestaltung eine besondere bauhistorische Bedeutung weit über Linz hinaus. Dies ist inzwischen hinlänglich bekannt (zusammenfassend verwiesen sei u.a. auf: A. Bina u. G. Wilbertz (Hg.): Gebaut für alle. Curt Kühne und Julius Schulte planen das soziale Linz (1909-38), Linz 2021; hier besonders S. 78f.).
Der Teilabriss von außen liegenden Siedlungshäusern bei gleichzeitigem Erhalt der zentralen Angersituation geht von problematischen bis falschen Einschätzungen aus. Zur Begründung:
Eine Reduzierung auf die zentrale Angersituation verkennt und negiert die erhaltene städtebauliche Gesamtsituation und die historische Planungsabsicht.
Curt Kühne hat, den bescheidenen Mitteln der Zeit geschuldet, mit einfach wirkenden Mitteln komplexe städtebauliche Situationen geschaffen (u.a. Wohnanlage Kaufleitnergründe, 1925 und Wohnhausanlage Franckstraße, 1927). Sie entwickeln nicht nur spezifische Qualitäten nach innen, sondern definieren gezielt und unverwechselbar das Verhältnis der Bauten und der Freiräume (Höfe) zum Straßen- und Stadtraum. Dabei geht es nicht nur um Gestaltung, sondern die Verwirklichung verbesserter sozialer und kultureller Bedingungen für die Bewohner*innen.
Hierbei spielen im Falle Sintstraße die außenliegenden Gebäude eine absolut entscheidende Rolle. Sie definieren nicht nur das Verhältnis der Mitte (Anger) zum umliegenden Stadtraum, sondern schaffen durch die von ihnen gebildeten Raumstaffelungen und Perspektiven einen wohlkalkulierten, perspektivisch abwechslungsreichen Übergang von den umliegenden Straßenräumen (also der Stadt) in die Siedlung hinein. Inszeniert werden Wege, Blickachsen und architektonische Bezüge (bis in die Details hinein), die nur im Zusammenspiel des Ganzen erfahrbar sind und bleiben.
Nur der Erhalt des von Kühne geplanten Gesamtensembles lässt all diese Qualitäten und mit ihnen verbundenen gesellschaftlichen Implikationen wirksam werden. Der Teilabriss hinterließe eine unbefriedigende Rumpfsituation, die mit den ursprünglichen Planungsintentionen und den hieraus generierten, heute noch relevanten Qualitäten kaum mehr etwas zu tun hätte. Das wertvolle Ensemble wäre keines mehr.
Neben diesen Aspekten stellt die Siedlung auch nach fast 100 Jahren ein exemplarisches Beispiel für eine optimale, nicht von ökonomischen Verdichtungsprämissen bestimmte, großzügige Situierung von Baukörpern dar. Auch wenn sich die Parameter inzwischen deutlich verändert haben, ist in der Siedlung Sintstraße unmittelbar erfahrbar, welch wichtige Rolle die Freiraumplanung auch hinsichtlich sozialer Fragestellungen besitzt bzw. besitzen sollte.
Text: Georg Wilbertz, Architekturhistoriker Linz, Februar 2023
Die Sintstraße zeigt eine besonders interessante, für Linz einmalige Siedlungstypologie. In der Gesamtwirkung eher ein Park als eine Wohnanlage, bilden 18 freistehende, zweigeschoßige Häuser ein zusammenhängendes Ensemble mit mittiger Angerfläche und ergänzenden Wohnhöfen.
Fachleute, Architekturhistoriker*innen und Baukultur-Initiaitiven setzten sich für Erhalt und Weiternutzung dieser historischen Arbeitersiedlung ein. Nun stehen Teilabriss und Umbau im Raum.
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