Die Möglichkeit eines Anders-Seins

Martin Benavidez & Catalina Urtubey

AIR, Installation

Im antiken Griechenland beschrieb Anaximander von Milet die kreisförmigen Bewegungen der Himmelskörper als riesigen Getriebemechanismus. Die Erde stand in dessen Zentrum, umgeben von einer Reihe sich darum drehender Räder. Durch kleine Löcher auf ihren Oberflächen drang der Schein des Feuers, das jenseits davon lag. Sonne, Mond und jeder einzelne Planet oder Stern, der unsere Nacht belebte, waren daher nichts weiter als Hohlräume, die andeuteten, dass etwas Glitzerndes hinter der Eingrenzung des Himmels existierte. Vor der Donau steht eine Camera obscura. Darin: der Abgrund der Dunkelheit und die fieberhafte Musik des brasilianischen Flusses Tietê. Von außen lüftet jemand die Abdeckung über einem kleinen Loch, das einen schwachen Lichtstrahl eindringen lässt. Mit einem Gewicht wie dem der Geschichte besteht die Lücke darauf, sich zu verdecken, doch dieses Andere widersetzt sich – und bewirkt durch seine Präsenz die sich abzeichnende Landschaft im Inneren. Die Vorstellung, dass der undurchlässige Hintergrund der Dinge keine Begrenzung, sondern ein Schleier zwischen uns und dem Lichtstrahl des Unbekannten ist, verwandelt dieses kleine Loch zur Möglichkeit, sich über das Anders-Sein klar zu werden, das sich hinter jeder Grenze befindet. Über ein Nichtvorhandensein, welches die Kunde von einer Landschaft filtert, die nur durch einen Anderen möglich wird: ein Bild des Unbezwingbaren, eine Gestalt, die nicht im Voraus abzuschätzen ist. Nur indem die vollkommenste Dunkelheit aufgestochen wird, scheint das Hereinbrechen einer Landschaft, die mit Leidenschaft in Verbindung steht, möglich. Dies geschieht jedoch nur so lange, wie diese kleine Wunde offen gehalten wird.

Zum Video auf dorftv

Konzept mit Catalina Urtubey (ARG)
Produktion: Lukas Kopf
Sound: José Ballesteros (ARG)

Das Residency-Programm im afo architekturforum oberösterreich wird unterstützt aus den Mitteln von LinzIMpORT.

Mit freundlicher Unterstützung der Kunstuniversität Linz und der Bundesimmobiliengesellschaft.